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Heften, lochen, ablegen. Der Strafprozess um das Geldhaus offenbart einen Blick in feminin geprägtes Innenleben.

Eine Stellenausschreibung gab es nicht. Auch keine internen Konkurrenten. „Herr Biehl hat einfach gefragt, ob ich Pro-

kuristin werden will. Das war’s.“

Glaubt man der Aussage einer ehemaligen Angestellten des Finanzdienstleisters Infinus vor dem Landgericht Dresden, verliefen die Karrieren der weiblichen Führungskräfte bis hin zum Vorstand in einer der 25 Infinus-Firmen mitunter recht simpel. „Der Eindruck, dass es bei den Beförde- rungen meist nach dem Aussehen ging, trifft zu“, führt die Zeugin aus. Sie selbst war seit August 2011 Prokuristin der Infinus Ihr Kompetenzpartner AG (IKP).

Schon 1999 sei sie über den Firmengründer und in dem Strafverfahren Hauptbeschuldigten Jörg Biehl zu Infinus geholt worden, „über einen privaten Kontakt“. Anfangs habe sie in Moritzburg im Empfang gearbeitet, nach dem Umzug in nämlicher Funktion in Dresden. Während ihrer Zeugenaussage meidet sie jeden Blick mit ihrem einstigen Förderer, die Mimik des 54-Jährigen selbst wechselt zwischen steinern, sauertöpfisch und grinsend.

Bei ihrer Aussage am Montag wirkt die Zeugin deutlich gefestigter also noch bei ihrem ersten Auftritt vor Gericht Anfang Januar. Die 35-Jährige spricht jetzt deutlicher, nicht mehr ganz so leise und mit relativ fester Stimme. Dabei muss sie eine für sie eher unangenehme Situation überstehen, als es darum geht, ihr Verhältnis zu Biehl zu beschreiben.

„Wir hatten eine kurze Affäre“, sagt sie. „Für ein paar Monate, Anfang 2000.“ Avancen habe Biehl ihr aber auch deutlich später noch gemacht, „bei Betriebsfeiern und im ganz normalen Geschäft.“ Anderen Kolleginnen sei es ähnlich ergangen, das sei im Hause Infinus ein offenes Geheimnis gewesen. Dann nennt die Zeugin ein paar Namen, der Vorsitzende Richter, Staatsanwälte und Verteidiger schreiben mit. Die Wachmänner im Gerichtssaal können sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Einzig und allein Biehl habe in ihrem Fall bestimmt, dass sie Prokuristin für die IKP werde, nicht die zuständigen und ebenfalls angeklagten Vorstände Kevan Khadhkodai, Rudolf Ott und Andreas Kison. „Ich habe immer alles mit Biehl abgesprochen“, sagt die Zeugin. Sie beschreibt ihren Chef als „sehr cholerisch“, er sei aber auch „sehr charmant“ gewesen.

Später habe sie der Lebensgefährtin von Biehl zugearbeitet. „Sie wurde zum gleichen Gehalt eingestellt wie ich, obwohl sie viel später kam.“ Ihre eigene Ernennung zur Prokuristin sei weder mit mehr Geld noch mit anspruchsvolleren Aufgaben verbunden gewesen. Sie habe bis zum Schluss Post verteilt, Unterlagen abgehef- tet, Adressen verwaltet und Exceltabellen ausgefüllt. Als Prokuristin habe sie ledig- lich mehr unterschreiben müssen, etwa Anträge zu Goldsparplänen. „Die waren in einer Mappe, auf den Blättern waren Pfeile und da habe ich unterschrieben.“ Über das Geschäft von Infinus habe sie nicht nachgedacht, auch deshalb nicht, „weil die Führungsriege sonst vielleicht misstrauisch geworden wäre.“ Dennoch habe sie Infinus bis zur Razzia Ende 2013 „sehr positiv gesehen“. Erst seit ihrer neuen Tätigkeit bei

einer Insolvenzkanzlei, die ebenfalls mit dem Infinus-Fall beschäftigt ist, habe sich ihr Eindruck nachhaltig verändert.

Ähnlich äußert sich auch die zweite Zeugin am 14. Verhandlungstag. Sie sei zur Leiterin der Buchhaltung befördert worden, ihre Arbeit habe sich dadurch aber nicht verändert: „Heften, lochen, ablegen – ich habe das einfach so gemacht.“ Zudem war eine LKA-Beamtin vorgeladen. Nach Angaben der Verteidigung hat sie ausgesagt, die Buchungen bei Infinus seien stimmig gewesen, Hinweise auf schwarze Kassen habe man nicht entdecken können.

In dem Prozess soll herausgefunden werden, ob die insgesamt sechs angeklagten Führungskräfte sowie vier weitere Beschuldigte mit Infinus ein Schneeballsystem installiert haben, um Zehntausende von Anlegern vorsätzlich zu täuschen. 

 

Sächsische Zeitung vom 12. Januar 2016. Ulrich Wolf