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Zweiter Infinus Manager bald auf freiem Fuß?

Die Verteidiger des Angeklagten Andreas Kison sind mit einer Haftbeschwerde beim Sächsischen Verfassungsgericht erfolgreich. 

 

Dresden. Sachsens oberste Richter haben am Donnerstag einen Beschluss gefasst, der für den Betrugsprozess um den früheren Dresdner Finanzdienstleister Infinus weitreichende Folgen haben könnte: Sie sehen eine Haftbeschwerde des angeklagten Ex-Infinus-Managers Andreas Kison (46) als berechtigt an. Die jüngsten Beschlüsse des Oberlandesgerichts und Landgerichts Dresden vom Februar 2016 zur Fortsetzung der Untersuchungshaft seien im Fall Kisons verfassungswidrig, heißt es in dem Beschluss. Sie verstießen gegen den Artikel 16 der Sächsischen Verfassung, in dem es heißt: „Niemand darf grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (...) unterworfen werden.“ Die bisherigen Haftgründe wie Flucht- und Verdunklungsgefahr oder dringender Tatverdacht, so die Verfassungsrichter weiter, würden „den Anforderungen an die Begründungstiefe nicht gerecht“. Zudem sei eine ausreichend fundierte „Verhältnismäßig- keitsprüfung“ unterlassen worden. Mit anderen Worten: Die Haftbefürworter haben es sich zu einfach gemacht, indem sie in ihren bisherigen Beschlüssen mehr oder weniger die immer gleiche Begründung ohne Rücksicht auf die Entwicklungen im laufenden Prozess hineingeschrieben haben. Nun muss das Oberlandesgericht neu entscheiden; die Erfolgsaussichten Kisons sind nach Angaben seines Verteidigers Michael Stephan „ganz gut“. Der im hessischen Bad Homburg geborene Kison ist wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Kapitalanlagebetrug angeklagt. Er sitzt ebenso wie vier weitere ehemalige Infinus-Manager seit zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Anfang April hatte die Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Dresden durchblicken lassen, Kison drohe eine Strafe von fünf Jahren. Für den bereits im Februar 2014 aus der U-Haft entlassenen Buchhalter von Infinus seien fünfeinhalb Jahre, für den Hausjuristen der Firmengruppe sechs, für die zwei Vertriebschefs je sieben und für den Gründer Jörg Biehl neun Jahre möglich. 

Das Sächsische Verfassungsgericht verweist zudem darauf, dass bei einer maximalen Straferwartung von bis zu siebeneinhalb Jahren die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaftdauer besonders begründet werden muss. Oder anders: Nun könnten weitere Verteidiger der angeklagten Infinus-Manager namens ihrer Mandanten eine Haftbeschwerde einlegen. Mit Ausnahme von Biehl droht ja keinem nach Aussage der Strafkammer eine längere Haft von siebeneinhalb Jahren. Mehrere Anwälte sagten der SZ, sie würden darüber bis zum kommenden Montag entscheiden. 

 

Sächsische Zeitung vom 22. April 2016. Ulrich Wolf